- Coco
Recurrent Airway Obstruction (RAO)
“Das Erste, was der Mensch zu lernen hat, ist Atmen. Die Atmung steht am Anfang und am
Ende des Lebens. Mit dem ersten Atemzug erblicken wir das Licht der Welt, mit dem letzten
hauchen wir das Leben aus.“ (Gautama Buddha)
Viele Begriffe und Abkürzungen wurden im Laufe der Jahre für nicht infektiös bedingten Atemwegserkrankungen, welche bei Pferden zu den Leitsymptomen Husten und/oder Leistungsschwäche führen, verwendet. Deswegen wurden in der englischen Literatur die verschiedenen Syndrome unter dem Begriff Equine Asthma zusammengefassen. „Dieser Überbegriff ersetzt die im Deutschen gebräuchliche Bezeichnung chronisch-obstruktive Bronchitis (COB) und die aus der Humanmedizin stammende Bezeichnung „chronic obstructive pulmonary disease“ (COPD).“ Außerdem wird neuerdings auch nach dem Schweregrad unterschieden, zwischen leichtgradigen entzündlichen Atemwegserkrankungen (Inflammatory Airway Disease; IAD) und der mittel- bis hochgradigen rezidivierenden Atemwegsobstruktionen (Recurrent airway obstruction; RAO) [3].
Definition
Die Recurrent Airway Obstruction (RAO) ist definiert als „Atemwegsobstruktion erwachsener Pferde. Die sich bei Umgebungswechsel oder nach Gabe von Bronchodilatatoren als reversibel erweist“ [1]. Durch Schimmelsporen Staub, Gase und andere atemwegsreizende Stoffe ist eine Verschlimmerung der Symptomatik (Exazerbation) zu provozieren. Die Exazerbation ist charakterisiert durch eine maximale Interpleuraldruckdifferenz von mehr als 15 cm H2O und dem Nachweis von mindestens 25 % an neutrophilen Granulozyten im Differentialzellbild der BAL. Recurrent bezieht sich bei RAO Pferden auf den reproduzierbaren Wechsel zwischen Exazerbation und klinischer Symptomfreiheit [1].
„Unter Praxisbedingungen ist die Diagnose RAO daher eigentlich nicht zu stellen: kaum ein Besitzer wird bereit sein, einen Schimmelpilz-Provokationstest, eine Interpleuraldruckmessung und eine bronchoalveoläre Lavage durchführen zu lassen und sein Pferd womöglich über Wochen von jedem Heuhalm entfernt zu halten“ [4] nur um die Reversibilität zu beweisen und somit die Diagnose zu sichern. Des Weiteren, stellt die RAO-Exazerbation ein Problem in der Praxis da. In einer Studie mit 132 Pferden mit chronischen Erkrankungen der tiefen Atemwege „zeigten gerade einmal 7 (5,3 %) eine so starke Symptomatik, wie sie per Definition für die RAO-Exazerbation gefordert wird. Die große Mehrzahl der Patienten erwies sich als deutlich geringgradiger erkrankt. Sie waren diagnostisch schwieriger zu erfassen und auch therapeutisch weniger gut zu beeinflussen“ [4]. Dies stellt für den Tierarzt bei der Diagnosestellung ein großes Problem da, weswegen in Deutschland immer noch der Begriff COB gebräuchlich ist. Für den Tierarzt hat dies den Vorteil: „die genau bestimmte Schwankungsbreite der Symptome, die ein Pferd mit der Diagnose RAO definitionsgemäß aufzeigen soll nicht am klinisch relevanten Patienten nachweisen zu müssen“ [1].
Symptome
Die klinischen Anzeichen von RAO spiegeln weitgehend die Entzündungsreaktion der Atemwege wieder, die während der Exposition gegenüber den in der Luft befindlichen Anreizen ausgelöst wird, was zu Schleimhypersekretion, Atemwegsobstruktion und Hyperreaktivität der Atemwege führt.
Die Atemwegsobstruktion wird durch eingeatmete Partikel, zum Beispiel Staubpartikel, Schimmelpilzsporen oder Gase, verursacht. Diese Partikel sind aufgrund ihrer Physiologie in der Lage, bis in die kleineren Bronchien und Bronchioli zu gelangen. Was bei gesunden Pferden kein großes Problem darstellt, führt bei RAO-Patienten zu einer übermäßigen und anhaltenden Obstruktion, was sich in einer verminderten Belüftung der gasaustauschenden Aveolarflächen zeigt. Diese Lungeneinengung führt vor allem bei der Ausatmung zu Problemen. Nur durch zusätzlichen Druck der Baucheingeweide gegen das Zwerchfell kann die Luft wieder aus der Lunge gedrückt werden. Äußerlich ist dies durch eine endexpiratorisch stark anspannende Bauchdecke bzw. durch eine abdominal betonte Ausatmung zu erkennen. In fortgeschrittenen Fällen, sind die Atemwege so stark verengt, das bereits bei der Einatmung ein erheblicher Wiederstand überwunden werden muss. „Es kommt folglich zu einer gemischten Dyspnoe (Atemnot) mit bei der Einatmung geweiteten Nüstern und deutlich hervortretenden Rippen“ [1].
Während die Inspiration noch gut funktioniert, kann es passieren, dass sich der zurückführende Atemweg bei der Ausatmung abschnittsweise verschließt. „Als Resultat werden die kaudal des verschlossenen Bronchiolus liegenden Alveolen übermäßig gebläht („Air Trapping“)“. Diese Überblähung der Alveolen nennt man im Anfangsstadium Hyperinflation. Dies kann im Endstadium zu einem Lungenemphysem führen, bei dem die Eigenelastizität der Lunge irreversibel vermindert ist [1].
Um die Bronchien und Bronchioli ist eine glatte Muskulatur gewunden. Diese kann, wenn sie übermäßig stark und/oder anhaltend kontrahiert sind zu einem Bronchiospasmus führen. Die Bereitschaft der Atemwege auf ungefährliche Partikel mit einer übermäßigen Kontraktion zu reagieren, nennt man Hyperreaktivität [1].
Des Weiteren leiden RAO-Patienten häufig an Dyskrinie, darunter versteht man die vermehrte Bildung eines physiologisch zusammengesetzten Sekrets. Durch eine pathologische Vermehrung von mukusproduzierenden Becherzellen und Clarazellen, kommt es zu einer fehlerhaften Zusammensetzung des Sekretfilms mit vermehrtem Mukusanteil, was im weiteren Verlauf zu einer Schädigung des Flimmerepithels führt, was mitunter als Nasenausfluss zu erkennen ist [1].
Eins für Therapeuten wichtiges Symptom ist der Husten, da er auch für den Besitzer ein gut erkennbares Symptom darstellt. Er ist „definiert als ein stoßweises Austreten von Ausatmungsluft nach kurzfristigem Verschluss des Larynx“. Durch Kontraktion der exspiratorischen Muskeln und gleichzeitigem verschließen des Larynx entsteht ein erhöhter Druck im Intrapleuralraum, in den Bronchien und in der Trachea. „Kurzfristig entsteht hierbei ein Kollaps der tiefen Atemwege. In dem Moment, in dem der Larynx sich öffnet, strömt die Luft mit hoher Geschwindigkeit aus den Atemwegen über die Maulhöhle heraus. Dabei entsteht das typisch abrupt beginnende Hustengeräusch“ [5]. Bei einem RAO-Patienten kann sich aus dem Kollaps der Atemwege ein starker Bronchospasmus entwickeln, was zu einem Hustenanfall führen kann. Hierbei streckt das Pferd Hals und Kopf nach unten und zeigt eine forcierte Exspiration, was für den Besitzer den Eindruck einer reellen Atemnot erweckt [5].
In fortgeschrittenen Fällen ist eine sogenannte "Dampfrinne" zwischen Rippenbogen und Bauchmuskulatur sichtbar. Umgangssprachlich wird dieser Zustand als Dämpfigkeit beschrieben und ist die Folge des Lungenemphysems. Die „Dampfrinne“ ist auf eine Hypertrophie der Bauchmuskeln (M. obliquus abdominis externus) zurückzuführen, die die Atmung unterstützen. Des Weiteren können stark betroffene Pferde auch Gewichtsverlust, Anorexie und körperliche Unverträglichkeit aufweisen. Die meisten betroffenen Pferde haben kein Fieber, es sei denn, eine sekundäre bakterielle Pneumonie ist aufgetreten [1].
Diagnose
Bei der Diagnose von RAO handelt es sich um eine Ausschlussdiagnostik. Meist wird sie anhand der Anamnese und der charakteristischen klinischen Untersuchungsergebnisse bei der Mehrheit der Pferde gestellt, ohne dass zusätzlich diagnostische Tests zur Bestätigung und Charakterisierung gemacht wurden. Dabei wäre eine Bestätigung durch eine Endoskopie der oberen Atemwege und der Trachea, eine bronchoalveoläre Lavage (BAL), eines Lungenfunktionstests und Röntgenaufnahmen des Thorax wichtig zur Sicherung der Diagnose.
Bronchoalveoläre Lavage ist bei Pferden mit schlechter Leistung und Husten indiziert. Überschüssige neutrophile Granulozyten werden in der Zytologie gesehen und bestätigen das Vorhandensein einer Entzündung der unteren Atemwege, was auf RAO schließen könnte. Röntgenaufnahmen werden für Pferde empfohlen, die auf eine Standardtherapie nicht ansprechen oder eine um eine Entzündung der Lunge weiter zu charakterisieren. Bei den RAO-Patienten ist die Strahlendurchlässigkeit des gesamten Lungenfeldes reduziert und es ist meist eine Bronchienwandverdickung röntgenologisch sichtbar. „Die Bronchienwandverdickung ist die Folge von peribronchialen Infiltrationen, die zu größeren Bronchiendurchmessern und einer größeren Anzahl sichtbarer Bronchien führt. Im Falle eines Emphysems ist in diesen Arealen die Lunge weniger röntgendicht und das Interstitium wirkt häufig „honigwabenartig“[2].
Quellen
[1] Brehm, W., et al., Handbuch Pferdepraxis. 2016.
[2] Heidrun Gehlen, G.N., Anna May, Was bringt die Röntgen- und
Ultraschalluntersuchung bei Lungenerkrankungen des Pferdes? Pferdeheilkunde 25
2009.
[3] Gerber, V., COPD, COB, RAO, IAD, SPAOPD und Pferdeasthma – was sollen all diese
Namen? LBH: 8. Leipziger Tierärztekongress - Tagungsband 2, 2015.
[4] FEY, K., COPD und Asthma in der Humanmedizin versus RAO, CB und COB beim Pferd.
pferde spiegel 3/2016, 2016.
[5] (Hrsg.), H.G. and M. Venner, Differenzialdiagnosen Innere Medizin beim Pferd. 2017.